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Ackerböden als Geschichtenerzähler

Der Ackerboden ist Boden des Jahres 2023. Zum Jahreswechsel hat das LBEG bereits die Vielseitigkeit der Ackerböden beleuchtet. In dieser zweiten von vier Betrachtungen unserer Ackerböden soll es um einen Blick in die Vergangenheit gehen. Denn darüber können uns unsere Böden eine Menge berichten.

Bereits seit der Jungsteinzeit, also ab etwa 7.500 Jahren vor heute, nutzten die Menschen in Mitteleuropa die Böden für den Ackerbau oder die Weidewirtschaft. Diese sehr lange Zeit der Nutzung hat in unseren Böden Spuren hinterlassen. Die Böden sind also wie ein Geschichtsbuch, das wir aufschlagen (oder besser: aufgraben) und lesen können, um zu erfahren, was in der Vergangenheit auf oder in ihnen passiert ist. Dazu müssen wir natürlich die Sprache verstehen, in der die Informationen enthalten sind. Unter anderem damit beschäftigen sich Disziplinen wie Bodenkunde, Archäologie oder Geoarchäologie.

Neben Gegenständen, die in Ackerböden enthalten sein können und Aufschluss über das Leben der Menschen in der Vergangenheit geben, finden sich auch Spuren von unterschiedlichen Bearbeitungstechniken. Besonders in weniger fruchtbaren Gebieten wurden Böden durch den Menschen teilweise erheblich umgestaltet, um die landwirtschaftlichen Erträge zu erhöhen. Damit sind Böden wichtige Archive in historischen Kulturlandschaften.

Für Niedersachsen sollen zwei besonders landschaftsprägende Beispiele näher betrachtet werden:


Die Geschichte des Plaggeneschs

Der Plaggenesch ist ein Ackerboden, der durch eine spezielle Bewirtschaftung entstanden ist. In Niedersachsen findet man den Plaggenesch vor allem im Nordwesten, in der Geestlandschaft. Dort wurde die sogenannte Plaggenwirtschaft seit etwa 1.000 n. Chr. praktiziert, also ab dem Mittelalter. Dabei wurde mit einer Hacke Bodenmaterial dem oberen durchwurzelten Bereich des Bodens zusammen mit Teilen der Vegetationsdecke entnommen. Dieses Material wurde erst als Einstreu in den Viehstall gebracht. Danach wurde diese Einstreu zusammen mit dem Dung und Hofabfällen auf einen nahegelegenen Acker aufgetragen, um diesen fruchtbar zu halten. Jahr für Jahr wuchs dieser Boden somit ein klein wenig in die Höhe (bis zu 1 mm pro Jahr), während das Material an der Entnahmestelle fehlte.

Sehr alte Ackerflächen wuchsen so über bis zu 1.000 Jahre in die Höhe, teilweise über einen Meter. Da das Oberbodenmaterial mit Pflanzenresten für die Plaggen verwendet wurde, spiegelt sich das in dem Boden wider: Er ist humos, besitzt also viel organische Substanz und ist dunkel gefärbt. Wenn wir den Boden heute aufgraben, dann sehen wir diese Spuren der Geschichte immer noch. Bodenkundler sprechen von einem Eschhorizont (Abkürzung E).

In der folgenden Grafik ist ein solcher Plaggenesch zu sehen. An der Untergrenze des dunklen Horizonts sind noch Reste des ehemaligen Bodens erkennbar, der an der Oberfläche lag, als die Plaggenwirtschaft begann.

Eschboden   Bildrechte: LBEG
Abbildung 1: Links: mächtiger Plaggeneschboden (Foto: Roeschmann). Rechts: Hacke zum Plaggenhieb und Karre zum Plaggentransport, im Hintergrund Heide (Foto: Gehrt).

Welche Rückschlüsse können wir nun aus der Geschichte ziehen, die dieser Ackerboden erzählt?

Die Böden beinhalten Informationen über die Besiedlung, über harte Arbeit von Generationen von Bäuerinnen und Bauern, über den Boden, der zu Beginn der Plaggennutzung vorlag. Teilweise können wir genauere Aussagen über den Zeitpunkt treffen, ab dem Plaggenwirtschaft betrieben wurde. Durch Gegenstände, die auf dem Weg des Plaggenmaterials über Stall und Hof in den Boden kamen, können weitere Rückschlüsse auf Leben und Wirtschaften der Menschen gezogen werden. Wir erfahren auch, dass anderen Böden in der Umgebung Material (in Form von Plaggen) entnommen worden sein muss, sodass sie an Nährstoffen verarmten und der schützenden Vegetation beraubt wurden. An diesen Standorten ist häufig eine Heidelandschaft entstanden, die bis heute Erosionserscheinungen der früheren Nutzung dokumentieren kann. Der Plaggenesch und seine Geschichte sind also ein Mosaikstein, der wichtig ist, um die Geschichte von Mensch und Landschaft zu verstehen.

Informationen zum Plaggenesch sind in einem Faltblatt des LBEG zusammengestellt.


Die Geschichte der Wölbäcker

Bei einem Blick auf das folgende Bild eines Wölbackers wird schnell deutlich, warum er so heißt: Regelmäßige Aufwölbungen kennzeichnen die Oberfläche. Diese besonderen Strukturen finden wir verteilt in vielen Gebieten Niedersachsens – häufig unter Wald.

Wölbacker-Profile   Bildrechte: LBEG
Abbildung 2: Schnitt durch eine Wölbackerflur (Grafik: Sander-Beuermann et al. 2022).

Die Entstehung ist an eine bestimmte historische Bearbeitungstechnik geknüpft, die seit dem Mittalter praktiziert wurde: den Einsatz eines Streichbrettpfluges. Dieser Pflug wendet das Bodenmaterial zu einer Seite hin. Indem mit dem Pflug auf der einen Seite des Beetes hin- und auf der anderen zurückgepflügt wurde, sammelte sich mit der Zeit Material an, welches die Rückstrukturen bildet. Die Bodenprofile in der Abbildung zeigen dies auch durch die unterschiedlichen Mächtigkeiten der Profile. Auch eine Anhäufung des Bodenmaterials durch den Einsatz von Spaten ist möglich. Die Eigenschaften der Böden wurden also deutlich verändert, und es ist anzunehmen, dass die Nutzungsmöglichkeiten des Menschen durch die Aufwölbung verbessert wurden. Eine Skizze ist in der nächsten Abbildung zu finden.

Entstehung von Wölbäckern   Bildrechte: LBEG
Abbildung 3: Links: aus einem digitalen Geländemodell abgeleitete Verdachtsflächen für Wölbäcker mit unterschiedlichen Ausrichtungen der Beete. Rechts: Skizze zur Entstehungstheorie von Wölbäckern (aus: Küster, München 1997).

Welche Informationen können wir aus der Geschichte gewinnen, die dieser Ackerboden erzählt?

Bis heute erhaltene Wölbäcker liegen häufig in bewaldeten Gebieten. Da die Entstehung der Wölbäcker an eine Ackernutzung geknüpft ist, liefert uns der Boden die Information, dass hier einmal eine ganz andere Nutzung stattgefunden haben muss, als die Waldnutzung heute. Wir können Rückschlüsse auf die Landschaftsveränderung durch den Menschen ziehen: Kaum ein Boden, der heute unter Wald ist, war durchgängig bewaldet. Irgendwann in ihrer Geschichte waren die meisten Böden einmal Acker- oder Grünlandböden. Es wird davon ausgegangen, dass im Mittelalter durch intensive Rodungen phasenweise nur noch ca. 10 % Deutschlands bewaldet waren (heute ca. 30 %).

Im Falle der Bodenprofile, die in der Abbildung 2 zu sehen sind, war es exemplarisch möglich, die beschriebene historische Landschaftsveränderung auch zeitlich zu fassen. So datieren zwei im Boden enthaltene Holzkohlefragmente aus dem Mittelalter und belegen den historischen Ackerbau in heute bewaldeten Regionen.

Eine Übersicht zur Verbreitung und Charakterisierung der Wölbackerböden in Niedersachsen ist auf einem Poster zusammengestellt. Der Geobericht 8 des LBEG verdeutlicht zudem die besondere Schutzwürdigkeit dieser Böden.

Naturschutzgebiet Heide Bildrechte: LBEG

Artikel-Informationen

Ansprechpartner/in:
Dr. Robin Stadtmann

Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie
Stilleweg 2
30655 Hannover
Tel: +49-(0)511-643-3901

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