Archivböden: Unsere Fenster in die Natur- und Kulturgeschichte
Böden sind nicht statisch, sondern verändern sich über die Zeit. Dies kann natürliche Ursachen haben, etwa klimatische Veränderungen, oder durch menschliche Eingriffe ausgelöst werden. Die Geschwindigkeit dieser Veränderungen variiert deshalb stark: Einige Prozesse wirken kurzfristig, andere erstrecken sich über Jahrhunderte bis Jahrtausende.
Böden in ihrem aktuellen Zustand sind also das Ergebnis natürlicher Prozesse der Substrat- und Bodenbildung sowie der menschlichen Überprägung. Alle Böden sind deshalb Zeugnisse der natürlichen Entwicklung von Landschaften und Ökosystemen und deren anthropogener Veränderungen. Die Eigenschaft von Böden, Informationen über diese Entwicklungen zu speichern, wird als Archivfunktion bezeichnet. Einige Böden erfüllen diese Funktion ganz besonders. Diese Böden sind unsere Archivböden: die Böden des Jahres 2026.
Der große Wert der Archivfunktion von Böden für die Gesellschaft liegt in der Möglichkeit, Informationen über die Vergangenheit zu gewinnen und daraus unter anderem Schlüsse für die Gegenwart und zukünftige Entwicklungen ziehen zu können. „Aus der Vergangenheit lernen für die Zukunft“, ist ein in den Geowissenschaften verwendeter Slogan.
Was berichten die Archivböden in Niedersachsen?
Von den bis zu 30 Meter mächtigen Lössprofilen des niedersächsischen Berglandes mit hunderttausende Jahre alten „Paläoböden“ aus den letzten Kalt- und Warmzeiten, über die Sedimente des Ausbruchs des Laacher-See-Vulkans vor ca. 13.000 Jahren bis hin zur Bildung der Moore nach der letzten Eiszeit, den in ihnen enthaltenen Pollen der früheren Vegetation und der tiefgreifenden Umgestaltung der Landschaften durch den Menschen: Die Archivböden bieten eine unglaubliche Fülle von Informationen und einzelnen Geschichten. Diese gilt es zu erhalten und zu entschlüsseln, denn das Problem ist: Wird ein Archivboden einmal tief umgegraben oder die Horizontierung des Bodens anderweitig verändert, ist die Information häufig für immer verloren. Das LBEG hat die Archivböden deshalb in ihrer Verbreitung in Niedersachsen kartiert. Fast 600.000 Hektar umfassen sie in der Kulisse besonders schutzwürdiger Böden (vgl. Abb. 2). Zu diesen flächenhaften Daten kommen einzelne Profilaufschlüsse als Punktinformationen.
Abbildung 2: Übersicht der flächen- und punkthaften Informationen zu Böden mit natur- und kulturgeschichtlicher Bedeutung in Niedersachsen. Aus: Geofakt 11 (Stadtmann et al. 2024). Detailansicht auf dem NIBIS®-Kartenserver.
Die Veränderung der Umwelt durch den Menschen ist besonders in den Böden dokumentiert, die Archive der Kulturgeschichte sind. Bekannte Beispiele sind der Plaggenesch oder Wölbäcker. Eine Übersicht über die Archivböden bietet der Geofakt 11. Schrittweise werden für ausgewählte Archivböden Niedersachsens durch das LBEG Steckbriefe mit Detailinformationen erarbeitet, insbesondere mit dem Ziel, Archivböden zu schützen.
Die Vielfalt unter unseren Füßen erfassen und schützen
Niedersachsens Böden sind so vielgestaltig, dass ihre Erfassung eine kontinuierliche Aufgabe bleibt. Zwischen Harz und Nordsee gibt es noch viele Geheimnisse und zu wenig erforschte Aspekte der Landschaftsgeschichte, die verborgen sind. Durch Bodenuntersuchungen, etwa die Beschreibung von Profilen, Horizonteigenschaften und enthaltenen Artefakten, lassen sich bestehende Wissenslücken schrittweise schließen. Altersdatierungen an Bodenmaterial oder Funden wie z.B. Holzkohle ermöglichen es zudem, zeitliche Abfolgen zu bestimmen und die Umweltentwicklung präzise nachzuzeichnen. Wichtige Partner für die Arbeiten zur Archivfunktion und zum Schutz der Archivböden sind das Niedersächsische Landesamt für Denkmalpflege, das Niedersächsische Forstplanungsamt und der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz.
Oberflächenformen von Archivböden
Einige Archivböden sind an charakteristische Oberflächenformen geknüpft. Sie sind also an der Oberfläche erkennbar, ohne den Boden aufzugraben. Die folgende Abbildung verdeutlicht, wie gut diese Formen in hochauflösenden digitalen Geländemodellen zu erkennen sind. Diese technischen Entwicklungen macht das LBEG sich zunutze, um die Böden noch genauer zu kartieren. In einem Projekt werden ausgewählte Formen aktuell flächenhaft für ganz Niedersachsen aus den Geländemodellen extrahiert.
Abbildung 4: Zwei Beispiele von an der Oberfläche über Reliefanalyse erfassbaren Formen, die mit Archivböden verknüpft sind. Links: Rechteckige bis wabenartige Strukturen, die Relikte einer vergangenen Feldwirtschaft sind (Celtic fields). Rechts: Streifenförmige Wölbungen (sogenannte Wölbäcker), die durch mittelalterliche Bewirtschaftung entstanden und unter Wald bis heute erhalten sind.
Heidepodsol.

